Jens Kräubig, “Fest der Form in Farbe”

Gün­ter Reichen­bach – Fest der Form in Farbe

Gün­ter Reichen­bachs lässt in seinen plas­tis­chen Arbeit­en das Runde tri­um­phieren. Er stellt naturhaft-organ­is­che Form als far­bigen Rund­kör­p­er in den Raum, wobei dieser Kör­p­er stets dazu tendiert, sich zu einem mehrgliedri­gen Gebilde auszuwach­sen, das sich wiederum in ein mehrteiliges Gebilde hinein fort­set­zen, zu einem Zusam­men­schluss unter­schiedlich­er Formkör­p­er weit­er entwick­eln kann.

Während die einzel­nen run­den Far­bkör­p­er häu­fig mit Kle­in­for­men wie Knospen, Stacheln, Warzen angere­ichert und durch der­ar­tige Außen­zuwächse in ihrem Charak­ter malerisch und plas­tisch dif­feren­ziert wer­den, treten bei jenen Formkör­perzusam­men­schlüssen bisweilen äußer­ste For­mge­gen­sätze auf. Das ist der Fall, wenn beispiel­sweise Kugelför­miges sich zu gelängter Form gesellt, kantige Winkelfor­men unver­mit­telt aus einem Rund­kör­p­er her­vor­brechen oder aus kanti­gen Winkelfor­men unver­mit­telt Rund­kör­p­er her­vorschießen. Und das ist auch der Fall, wenn aben­teuer­lich-artis­tis­chen Rund­for­mzusam­men­schlüssen ein kubis­ches Post­a­ment, ein pfeil­er­ar­tiger Sock­el oder eine qua­dratis­che Plinthe „unter­stellt“ wird – Eck­iges, Kantiges, Hartes das „Ganze“ auch far­blich voll­ständig macht. Mit ihrem Aufwach­sen und Anschwellen kennze­ich­net Reichens­bachs Run­dob­jek­te eine beson­dere Kraftau­fladung, gebun­den an ein Ver­sprechen von Fülle. Von innen her bewegt will sich die tonal dif­feren­zierte Farb­masse von aller Schwere lösen, vom Boden loskom­men und auf­steigen, um in ihrer Fülle froh für sich zu schweben. 

Reichen­bach entwick­elt seine plas­tis­chen Objek­te aus gefäßhaften, oft kol­be­nar­tig gelängten oder tropfe­nar­tig anschwellen­den Rund­for­men. Diese entzweit er, lässt sie in ver­schiedene Rich­tun­gen auss­chla­gen, bis sich diese Auswüchse ins Spi­ralige hinein wie berauscht über­schla­gen. Seine eksta­tis­chen Wach­s­tums­ge­bilde sind Aus­druck ein­er ero­tis­chen Verehrung der veg­etabilen Natur. Sie umkreisen Pflanzenen­twick­lung – Trieb und Aufrich­tung, Verzwei­gung, Blüte, Frucht­bil­dung. Sie bleiben dabei auf opti­male Raumwirkung, auf eine Vielzahl unter­schiedlich­er Ansichtsmöglichkeit­en hin angelegte Kunst­werke, die ger­ade in ihrer begeis­terten Naturhaftigkeit extrem kün­stliche Gebilde darstellen. Ihr hybrid­er Charak­ter hängt mit Natür­lichem wie Kün­stlichem zusam­men, wodurch von Anfang an Gegen­satz bzw. Gegen­satzüber­win­dung, Ver­söh­nung, mit im Spiel ist. Reichen­bachs „natur­re­ligiös“ inspiri­erte Wach­s­tums­ge­bilde lassen sich als phan­tastis­che Verdich­tun­gen begreifen, die dem Wach­s­tum­sprozess – undurch­schaubaren Entwick­lun­gen und Übergän­gen – Rech­nung tra­gen wollen und damit weit über das Natür­liche hinausgehen. 

Der Farb­bild­hauer ist ein Garten­fre­und, der gerne Parks und Zoos auf­sucht, aber auch ein häu­figer The­aterbe­such­er, ein Fre­und the­atralis­ch­er Vorstel­lun­gen. Seine Vor­lieben verknüpfend insze­niert er qua­si „Natur­vorstel­lun­gen“, kleine und große Naturthe­ater­stücke. Seine malerisch-plas­tis­chen „Nat­u­rauswüchse“ wer­den so gese­hen zu „Schaus­piel­ern“, die als Natur- und Kun­st­darsteller zugle­ich auftreten.

Jens Kräu­big